Blick in die Zukunft: So verändert sich die Mobilität
13. März 2025
Wie leben die Menschen, wie bewegen sie sich fort, wo müssen sie hin und wie oft sind sie unterwegs? Die Ansprüche an Mobilität sind sehr unterschiedlich – das gilt für heute und auch in Zukunft. In den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren werden immer mehr Menschen in Städten leben und durch die Globalisierung wird auch die Vernetzung wichtiger, sagen Trendforschende. Um die Menschen zu bewegen, auf klimafreundliche Mobilität umzusteigen, müssen jetzt Angebote wie eine vernünftige Rad-Infrastruktur oder ein attraktiver ÖPNV ausgebaut werden. Christoph Overs, Geschäftsstellenleiter des Zukunftsnetz Mobilität NRW, wirbt in der aktuellen Podcastfolge des mobiliTALKs für Veränderungen und Innovationen. Welche Rolle die Kommunen dabei haben, erläutert er im Interview.
Wie kann eine Vision von Mobilität aussehen, die alle mitnimmt – von Politik über Mobilitätsbranche bis hin zu den Menschen, die sie nutzen?
Christoph Overs: Unsere Vision ist es, dass alle Menschen in NRW flexibel, klimafreundlich und nachhaltig unterwegs sind. Das ist schnell formuliert. Viel schwieriger ist die Frage, wie wir das erreichen können. Denn unterschiedliche Akteure haben unterschiedliche Bedürfnisse und bringen auch verschiedene Problemstellungen mit. Sensibilisieren, Verständnis zeigen, zuhören, im Dialog sein – das sind schon einmal wichtige Voraussetzungen, um möglichst viele Zielgruppen mitzunehmen. Hier gilt es auch, die Beteiligungskultur in der Kommune zu stärken. Also müssen all diejenigen in den Transformationsprozess einbezogen werden, die neue Mobilitätsmaßnahmen auch nutzen sollen. Wir versuchen grundsätzlich, die Bedürfnisse der Menschen in den Fokus zu rücken. Manchmal braucht es aber auch den Blick auf das große Ganze und nicht auf kleinteilige Herausforderungen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Entscheidend ist auch, dass die Mobilitätswende zur Chefsache in der Kommunalverwaltung wird. Dafür muss ein entsprechender politischer Rahmen geschaffen und die Kommunalverwaltung mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden.

Seit über einem Jahrzehnt arbeitet Christoph Overs in der Mobilitätsbranche – nach seinem Studium der Angewandten Geografie an der RWTH Aachen war er 2013 zunächst für den Arbeitsschwerpunkt Mobilitätsmanagement für Kinder und Jugendliche beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg tätig. Aktuell leitet er den Bereich Mobilitätsmanagement bei der go.Rheinland GmbH und ist Geschäftsstellenleiter des Zukunftsnetz Mobilität NRW (ZNM). In dieser Funktion unterstützt er Kommunen dabei, Rahmenbedingungen für nachhaltige Mobilitätskonzepte zu entwickeln und in konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Mobilitätswende meistern, Klimaziele erreichen, Infrastruktur sanieren: Die Liste der Aufgaben ist lang. Wie kann es trotzdem gelingen, die Mobilität schnell und effizient zu verbessern?
Christoph Overs: Die großen Herausforderungen wie zum Beispiel der ÖPNV-Ausbau tragen dazu bei, die Mobilität zu verbessern, lassen sich aber nicht von heute auf morgen bewältigen. Dafür braucht es einen längeren Atem. Ich finde es daher umso wichtiger, auch die Aneinanderreihung von kleinen Maßnahmen in den Blick zu nehmen und voranzutreiben. Die lassen sich schneller als die „dicken Bretter“ umsetzen und zahlen ebenso auf das große Thema Mobilitätswende ein. Dabei denke ich unter anderem an betriebliches Mobilitätsmanagement, vernetzte Mobilität oder auch schulische Maßnahmen. In Aachen etwa hat ein flächendeckendes Netz an Elternhaltestellen einen effizienten Beitrag zur verbesserten Mobilität geleistet. Die Eltern können ihr Kind jetzt an gesicherten Haltepunkten unweit der Schule absetzen. Dadurch ermöglichen sie ihrem Nachwuchs, ein paar Meter zu laufen, was wiederum gesundheitsfördernd ist und die vorher völlig überlastete Verkehrssituation vorm Schultor entspannt.
Wie hat sich das Städte-Design in den letzten Jahren bereits verändert?
Christoph Overs: Es hat definitiv ein Wandel im Bewusstsein und in der politischen Debatte stattgefunden. Zwar spielt das Auto nach wie vor eine große Rolle, besonders im ländlichen Raum. Dennoch haben die Kommunen zu Themen wie Rad- und Fußverkehr, Sharing-Modellen und ÖPNV längst Mobilitätskonzepte erstellt und Maßnahmen umgesetzt. Grundsätzlich merke ich, dass es eine Bereitschaft gibt, umzudenken. Besonders nachgefragt von den Kommunen ist beispielsweise der Fußverkehrs-Check NRW, den das Zukunftsnetz seit 2019 bereits mit 70 Kommunen durchgeführt hat. Hier kommen bei gemeinsamen Begehungen einer bestimmten Strecke unterschiedliche Zielgruppen zu Wort, etwa Senioren, Schülergruppen, Verwaltung und Politik. Sie nehmen die Fußwege unter die Lupe und diskutieren über Lösungen – das kann eine Bank, eine bessere Grünschaltung oder ein Zebrastreifen sein. Dabei entstehen also gemeinsam und ganz konkret Veränderungen für das Städte-Design, hin zu fußgängerfreundlichen Wegen und weg von autozentrierter Stadt- und Verkehrsplanung.
Im Podcast sprechen Sie sich für die Schaffung von Pull-Effekten aus, um einen Mobilitätswandel zu erreichen. Welche (großen) Modell-Projekte hat das Zukunftsnetz bereits geschaffen, bei denen solche Effekte funktionieren?
Christoph Overs: Das Zukunftsnetz bietet den Rahmen und berät bei der Umsetzung von Modell-Projekten. Mit Pull-Maßnahmen wie Sharing-Modellen, der Stärkung des Rad- und Fußverkehrs und des Ausbaus von ÖPNV-Angeboten erreichen wir, dass diese Themen in den Vordergrund rücken. Vor 20 oder 30 Jahren wäre es doch undenkbar gewesen, dass sich eine Kommune und Verbünde mit solchen Themen beschäftigen! Hier hat es also funktioniert, alte Denkmuster aufzubrechen. In der Stadt Euskirchen beispielsweise hat die Kommune erkannt, dass es sinnvoll ist, in Carsharing-Projekte zu investieren. Wir versuchen, Angebote zu schaffen, die die Menschen auch nutzen wollen. Wenn das gelingt, haben wir auch die erwünschten Effekte.