Extremwetter – wie wirkt es sich auf die Mobilität aus?
28. August 2024
Außerordentliche Wetterereignisse wie anhaltende Dürre, Starkregen, schwere Gewitter und orkanartige Windböen nehmen weltweit zu – ausgelöst durch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Auch in NRW wird dies deutlich: Ein aktueller Fachbericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) zeigt, dass die Auswirkungen der Klimaerwärmung in unserer Region immer stärker werden. Wie zerstörerisch Extremwetter sein kann, haben vor gut zwei Jahren bereits viele Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erleben müssen: Auf Starkregen folgte eine Sturzflut, die mehr als 180 Menschen das Leben kostete und erhebliche Schäden anrichtete. Massiv zerstört und beschädigt wurde auch die Verkehrsinfrastruktur. Generell ist der Verkehrssektor in besonderem Maße anfällig für die Folgen von extremem Wetter, weshalb es zukünftig neben dem allgemeinen Schutz der Bevölkerung gezielter Maßnahmen bedarf, um auch bei Extremwetter Mobilität zu gewährleisten.
Auf der Schiene
Beschädigte Gleisanlagen, Ausfälle der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Klimaanlagen in den Zügen, Bäume auf den Gleisen oder unterspülte Bahnstrecken – der Klimawandel und die damit einhergehenden Witterungsextreme betreffen den Verkehr auf der Schiene auf verschiedene Art und Weise. Um die derzeitigen und kommenden Einflüsse des Klimawandels für die Schiene besser einschätzen zu können, gab die Deutsche Bahn 2021 eine Studie beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Auftrag. Das Ergebnis: Die Anzahl der Hitze- und Sturmtage steigt, u. a. wird die Region Hagen vermehrt von Starkregen betroffen sein. Die Antwort der Deutschen Bahn auf die Erkenntnisse ist eine Klimaresilienz-Strategie, die vor allem ein Vegetationsmanagement, ein Wintermanagement und Hitzeprävention beinhaltet, um klimabedingten Schäden vorzubeugen:
Durch eine intensive Sonneneinstrahlung und hohe Außentemperaturen können die Schienen eine Temperatur von über 60 °C erreichen. Dies kann zu einer Gleisverdrückung führen. Eine Methode, um das zu verhindern, testete die Deutsche Bahn: Die „Weiße Schiene“ reflektiert durch einen weißen Anstrich der Gleise mehr Licht und kann somit die Temperatur um etwa 7 °C reduzieren. Auf den erfolgreichen Laborversuch folgte ab Herbst 2019 eine über ein Jahr andauernde Testphase in der Praxis. Das Ergebnis: Da wegen der Abnutzung durch das Befahren und die Verschmutzung der Effekt der Reflektion schnell nachlässt und häufiges Nachstreichen notwendig wäre, ist ein flächendeckendes Weißstreichen nicht sinnvoll. Stattdessen findet die weiße Farbe punktuell ihren Einsatz an für Hitze anfälligen Streckenabschnitten. Zudem werden Betonschalthäuser an Bahnübergängen weiß gestrichen, wodurch die Innenraumtemperatur deutlich gesenkt wird und so die elektrischen Bauteile langlebiger werden.
Überschwemmungen können die Gleise unterspülen und zu Erdrutschen führen, was die Schienen unpassierbar macht. Zur Prävention können gefährdete Strecken verlegt werden, wie es z. B. nach der Flutkatastrophe 2021 geschah: Betroffene Brücken wurden an anderer Stelle mit einer größeren Spannweite neu errichtet. Der Vorteil liegt darin, dass die neuen Brücken möglichen Sturmfluten weniger Angriffsfläche bieten und den Wassermassen standhalten. Darüber hinaus wurden Bahnstrecken, die bisher direkt am Wasser entlangfuhren, auf höher gelegene Abschnitte verlegt.
Bäume und Sträucher, die bei stürmischem Wetter auf die Schienen oder die Oberleitungen fallen, stellen ein großes Problem dar – stundenlanges Festsitzen der Fahrgäste in den Zügen und Verspätungen sind die Folge. Um das zu verhindern, wird die Vegetation an den Bahnstrecken überwacht, zurückgeschnitten und „erzogen“. Letzteres wird dadurch erreicht, dass die tief verwurzelten Bäume gefördert werden, während die instabilen und sturmanfälligen weichen müssen.
Nicht nur Hitze, sondern auch Eis und Schnee können den Bahnbetrieb ins Stocken bringen oder sogar zum Stillstand zwingen. Stellwerke können ausfallen, Weichen einfrieren und Gleise einschneien. Eine gute Vorbereitung in den warmen Monaten hat sich bewährt: Schulungen von Mitarbeitenden und Räumfirmen, die Beschaffung von Streugut, Schaufeln und Besen sowie ein Winter-Check der Züge garantieren eine sofortige Einsatzbereitschaft. Zusätzlich sorgen im Falle eisiger Temperaturen und starkem Schneefall spezielle Antriebsabdeckungen und Heizungen an den Weichen dafür, dass diese funktionsfähig bleiben. Neben den Räum- und Sicherungskräften, welche die Strecke per Hand freimachen, fahren außerdem sogenannte schwere „Spurloks“ über verschneite Gleise und ermöglichen so die Fahrt für nachfolgende leichtere Züge.
Auf der Straße

Wie der SPNV ist auch der Verkehr auf der Straße von extremen Wetterverhältnissen betroffen, was die Verkehrsteilnehmenden gefährdet, zu Verspätungen führt und für Sperrungen sorgt. Folgende Maßnahmen sollen helfen, den Verkehr auch bei Extremwetter aufrecht zu erhalten:
- Damit umgestürzte Bäume oder herabfallende Äste keine Wege blockieren oder Straßenschilder und Ampeln beschädigen, ist Prävention die beste Maßnahme: Die Vegetation am Straßenrand sollte gepflegt und regelmäßig auf Schwachstellen hin untersucht werden.
- Starke Regenfälle und Fluten können die Fahrbahn unterspülen, wie dies etwa im Mai 2024 in Essen der Fall war. Vorbeugende Maßnahmen zur Straßenentwässerung können Abhilfe schaffen. Bewährt haben sich für Straßen, Brücken und Tunnel terrassenbezogene Entwässerungsanlagen wie Drainage- und Pumpanlagen, stehendes Wasser auf den Straßen kann durch das Ausfräsen von Spurrillen oder eine angepasste Straßenführung reduziert werden.
- Während kalte Winter mit Schnee und Eis zu Glätte führen, kann Hitze im Sommer dunklen Asphalt weich werden lassen. Die Folge sind gefährliche Spurrinnen. Als Alternative ist heller Asphalt im Gespräch, der sich weniger stark erhitzt, da er das Sonnenlicht besser reflektiert.
Auf dem Geh- und Radweg

Am klimafreundlichsten ist man zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Zugleich sind diese Fortbewegungsarten aber auch am anfälligsten für extremes Wetter, da Personen hier Hitze, Regen und Sturm direkt ausgesetzt sind. Gezielte Maßnahmen und innovative Ideen helfen auch hier, die Bevölkerung vor den Wettereinflüssen zu schützen.
Die pralle Sonne setzt Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Personen mit Rad zu – Hitzschlag, Sonnenstich oder Sonnenbrand können die Folge sein. Wie kann geschützt werden? Die Stadt Sevilla macht es vor: Große Sonnensegel, die über der Fußgängerzone von Haus zu Haus gespannt sind, spenden Schatten, hindern den Boden daran, sich aufzuheizen und lassen genug Raum für eine angenehme Luftzirkulation. Überlegt wurde dies auch für die Stadt Dorsten. Da die Bedingungen vor Ort das Anbringen von Sonnensegeln erschweren, wird alternativ ein vermehrtes Aufstellen von Sonnenschirmen erprobt.
Nicht nur die Straßen, sondern auch die Geh- und Fahrradwege aus dunklem Asphalt heizen sich besonders auf, das wissen auch die Bewohnenden von Phoenix, Arizona: Temperaturen von über 40 °C in den Sommermonaten sind die Norm. Deshalb wurde in der US-Metropole ein heller Asphalt getestet und direkt mit einem klassischen Belag verglichen. Die Ergebnisse sind positiv: Im Durchschnitt lag die Temperatur 6 °C unter der der dunklen Oberfläche. Somit bietet der helle Asphalt eine Chance für Bewohnende, auf kühleren Wegen unterwegs zu sein.

Die Bewohnenden von Tokio sind Hitze gewöhnt, und doch bringen die Sommer mit einer Durchschnittstemperatur von weit über 30 °C und einer hohen Luftfeuchtigkeit von 80 bis 90 Prozent die Menschen an ihre Grenzen. Bei solchen Wetterverhältnissen sind innovative Ideen gefragt, die sich auch auf Deutschland und die zunehmenden Hitzeperioden übertragen lassen. So sind u. a. an Bushaltestellen und über Gehwegen Düsen angebracht, die einen feinen Wassersprühnebel verteilen und dabei Passantinnen und Passanten erfrischen, ohne sie zu durchnässen. Für eine Abkühlung sorgen auch Hochdrucksprinkleranlagen an den Straßen: Durch Sonnen- und Windkraft angetrieben, wird das störende Sickerwasser in den U-Bahn-Schächten auf die Straßen transportiert. Dort versickert es dank eines speziellen Belags nicht und kühlt die Oberfläche um etwa 10 °C ab – was sich bei einer Oberflächentemperatur von bis zu 60 °C bemerkbar macht.
Mit einem positiven Ergebnis hat auch die Stadt Köln 2022 in der eng bebauten Altstadt Wassernebel gegen die Sommerhitze getestet: Die direkte Umgebung konnte um 14 °C abgekühlt werden und rund 90 Prozent der Passantinnen und Passanten empfanden den Test als angenehm. Und auch Bottrop zieht in Betracht, zukünftig die Innenstadt mit Brunnen, Wasserfontänen und Sprühnebelsäulen gegen Hitze zu wappnen.
Auf dem Wasser
Der Klimawandel und das daraus folgende Extremwetter von Starkregen und Dürreperioden wirkt sich ebenfalls in Form von Niedrig- und Hochwasser auf die Binnenschifffahrt und auf den Transport von Gütern auf den Wasserstraßen aus.
