Zwei Bauarbeiter mit Warnweste und Schutzhelm stehen auf Zuggleisen und untersuchen diese.

So geht die Mobilitätsbranche den Fachkräftemangel an

06. August 2024

Vom Bahnverkehr bis zur Binnenschifffahrt vereint ein drängendes Thema die Mobilitätsbranche in NRW: der Fachkräftemangel. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal wird in den kommenden Jahren mit Renteneintritt der Babyboomer-Generation noch verstärkt werden. Fehlen Fachkräfte, kommt es zu Mehrbelastungen der Mitarbeitenden, Betriebseinschränkungen und Ausfällen – Folgen, die sich bereits heute an verschiedenen Stellen zeigen. Nicht zuletzt wirkt sich der Fachkräftemangel so auch auf das Gelingen einer klimafreundlichen Mobilitätswende aus. Wie begegnet die Branche dieser Situation und welche Maßnahmen werden ergriffen?

Mit Vielfalt gegen den Mangel

Um den Personalbedarf zu decken, setzt die Mobilitätsbranche auf verschiedene, passgenau zugeschnittene Maßnahmen, um auf ihre beruflichen Möglichkeiten aufmerksam zu machen, potenzielle Fachkräfte zu qualifizieren und sie im Arbeitsleben zu unterstützen. Dabei geht es auch darum, bisher zu wenig genutzte Potenziale zu fördern, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen und zu sichern.

Im nordrhein-westfälischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) fehlen vor allem Personen im Führerstand, in der Kundenbetreuung und in der Disposition. Im Rahmen der Beschäftigungsoffensive, die im vergangenen Jahr mit sechs Millionen Euro vom Land NRW gefördert wurde, entwickelte das Landesprogramm Fokus Bahn NRW 24 Maßnahmen, mit deren Hilfe Mitarbeitende gewonnen und das Angebot im Nah- und Regionalverkehr auf lange Sicht stabilisiert werden soll. Dazu zählt u. a. die Koordination von unternehmensübergreifenden Qualifizierungen oder der Ausbau des Mentorenprogramms, in dem erfahrene Mitarbeitende Neueinsteigende unterstützen.

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Den Nachwuchs fördern

Es kann schon bei den Kleinsten anfangen: Mit dem Ideenwettbewerb „LogistiKids“ führen das Kompetenznetz Logistik.NRW und die nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern Vorschul- und Grundschulkinder spielerisch an die Welt der Logistik heran. Einen ähnlichen Gedanken verfolgt die Kampagne „BAU – DEIN DING“ der Bauindustrie NRW: Für Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klasse kommt seit 2023 der BauTrailer an die Schulen. Interaktive Challenges im BauTrailer, zum Beispiel ein Brückenpuzzle, sollen das Interesse an Ausbildungsberufen der Bauindustrie NRW wecken.

Um gezielt Arbeitssuchende anzusprechen, nehmen Unternehmen der Mobilitätsbranche regelmäßig an Jobmessen und Karrieretagen teil. So konnten sich beispielsweise die Bahnen in NRW auf Veranstaltungen im vergangenen Jahr mit Interessierten austauschen und direkt vor Ort zahlreiche Bewerbungsgespräche führen.

Für bessere Bildung und Lehre

Ob im Zug, im Straßenbau oder als Fachkraft für Schiffsmechanik: Die Ausbildungsberufe in der Mobilitätsbranche sind vielfältig. Um die Ausbildung zu optimieren, wird an verschiedenen Stellen angesetzt. So gibt es etwa für die Binnenschifffahrt das Schulschiff Rhein. Auszubildende leben für mehrere Wochen an Bord des Schiffes in Duisburg-Homberg und lernen dort neben theoretischem Wissen auch praxisnahe Inhalte. Wer eine Ausbildung als Triebfahrzeugführerin oder Triebfahrzeugführer durchläuft, profitiert von Simulator-Trainings um so den Umgang mit unterschiedlichen Situationen wie Extremwetter oder technischen Störungen zu üben. Auch an übergeordneter Stelle werden Maßnahmen für eine Stärkung der betrieblichen Ausbildung getroffen. Im April 2024 ist die Ausbildungsgarantie in Kraft getreten, die im Aus- und Weiterbildungsgesetz verankert ist: Diese schafft u. a. durch die finanzielle Förderung von Berufsorientierungspraktika, individuelle Anpassungen für die Teilnahme an Einstiegsqualifizierungen oder durch einen Mobilitätszuschuss bessere Grundlagen für die Berufsausbildung.

An Universitäten und Hochschulen rückt die Vernetzung stärker in den Fokus, um gemeinsam Nachwuchskräfte für die Gestaltung der Mobilitätswende auszustatten. Drei Beispiele aus NRW:

  • RailCampus OWL e.V.: Im Bachelorstudiengang Digitale Bahnsysteme“ werden Inhalte u. a. aus Informatik, Elektrotechnik und Maschinenbau kombiniert, damit Studierende umfassende Kenntnisse über Bahntechnologien der Zukunft erhalten. Der Studiengang wurde von der Hochschule Bielefeld, der Technischen Hochschule OWL, der Universität Bielefeld und der Universität Paderborn entwickelt.
  • START.ING: Die Ingenieurkammer-Bau NRW bietet mit START.ING ein kostenloses Programm für Studierende an. Neben Einblicken in die Praxis und vergünstigten Seminaren sowie Fortbildungen gibt es Angebote zum Networking, um ein berufliches Netzwerk aufzubauen und eine erste Orientierung im Berufsleben zu ermöglichen.
  • Fahrradprofessur NRW: Gegen den Fachkräftemangel in der Planung und dem Bau der Radverkehrsinfrastruktur wird eine Fahrradprofessur an der Hochschule Bochum eingerichtet. Für Kooperationen stellen sich u. a. die Städte Bochum, Essen und Dortmund sowie der Landesbetrieb Straßen.NRW bereit. Das Land NRW fördert die Professur für die Dauer von zehn Jahren mit bis zu 400.000 Euro jährlich.

Mehr Frauen für die Mobilitätsbranche

Noch immer haftet der Mobilitätsbranche an vielen Stellen das Image einer „Männerdomäne“ an – dabei können Frauen so gut wie jeden Beruf ebenfalls ausüben. Um diese Geschlechterklischees aufzubrechen, wird bereits seit vielen Jahren der Girls'Day durchgeführt. An diesem Orientierungstag lernen Mädchen Berufe kennen, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt. Regelmäßig beteiligen sich auch Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die RheinRuhrBahn am Girls'Day.

Weitere Initiativen und Netzwerke für Frauen in der Mobilitätsbranche

Für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Mobilitätsbranche setzt sich das Netzwerk Women in Mobility“ ein. Ziel ist es, Frauen mit ihrer fachlichen Expertise stärker in der Öffentlichkeit zu positionieren und so mehr Vielfalt bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft zu schaffen. Auch der Austausch innerhalb des Netzwerks spielt eine wichtige Rolle. Als Plattform dafür wurde in NRW der WiM Hub Rhein-Ruhr gegründet: Hier werden Frauen aus allen Bereichen der Mobilität zusammengebracht.

Das FrauenNetzwerk-Bau des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e.V. wurde vor dem Hintergrund gegründet, den Anteil von Frauen auf allen beruflichen Ebenen der Baubranche auszubauen. Dazu gehört auch der Bereich „Infrastruktur/Tiefbau“, in dem die Modernisierung von (Wasser-)Straßen, Brücken und Schienenwegen im Vordergrund steht. Die Mitglieder tauschen sich miteinander aus und unterstützen sich gegenseitig – von der Auszubildenden bis zur Geschäftsführerin. Ein Mentoringprogramm u. a. für Studierende oder Führungskräftenachwuchs hilft im Arbeitsalltag. Zudem finden Workshops und Veranstaltungen für Mitglieder des Netzwerks statt, beispielsweise zu nachhaltigem Bauen.

 

Unterstützung für Frauen in der angewandten Forschung bietet das Fraunhofer TALENTA-Programm. TALENTA begleitet Frauen in jeder Phase der Karriere: Das können Qualifizierungsangebote für Berufseinsteigerinnen, fachliche Fortbildungen oder Weiterentwicklungen, aber auch der Schritt in eine Führungsposition sein. Auch aus dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, das sich u. a. mit der Elektrifizierung des Verkehrs und Ansätzen für intelligentes Laden von E-Autos befasst, nehmen Frauen an dem Programm teil.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt besonders mit Blick auf weibliche Fachkräfte eine wichtige Rolle zu. Ob betriebliche Kinderbetreuung oder flexible Arbeitszeitgestaltung: Unternehmen können an verschiedenen Stellen ansetzen. So planen zum Beispiel die Verkehrsunternehmen des Programms Fokus Bahn NRW einen Qualifizierungskurs in Teilzeit, der Personen mit privaten oder familiären Verpflichtungen bessere Ausbildungschancen ermöglichen soll. Ein Angebot zur Ferienbetreuung exklusiv für Kinder von DB-Mitarbeitenden hat die Stiftungsfamilie BSW & EWH entwickelt: Bei der RasselBAHNde werden Kinder zwischen 6 und 12 Jahren professionell in den Sommerferien betreut.

 

Fachkräfte mit Migrations- und Einwanderungshintergrund unterstützen

Für die meisten Berufe in der Mobilitätsbranche ist ein Aspekt von großer Bedeutung: der Erwerb der deutschen Sprache. Selbst wenn die fachlichen Qualifikationen vorliegen, ist der Berufsalltag ohne Deutschkenntnisse häufig nicht machbar – beispielsweise ist für Ingenieur*innen technisches Deutsch gefragt. Auch im Personennahverkehr sind gute Deutschkenntnisse Voraussetzung. In vielen Unternehmen dieser Sparte gehören deshalb Sprachkurse mit zur Aus- oder Weiterbildung, etwa bei ÖPNV-Unternehmen oder in der Bahnbranche.

Häufig stehen bürokratische Hürden im Weg, die den Berufseinstieg erschweren – etwa bei der Anerkennung von Zeugnissen oder Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde 2023 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Dadurch soll die Arbeitssuche für Zugewanderte erleichtert werden. Eine der Neuregelung des Gesetzes betrifft die Blaue Karte EU: Die Liste der Mangelberufe, die Anspruch auf eine Blaue Karte EU haben, wurde erweitert und umfasst nun neben Ingenieurinnen und Ingenieuren weitere Berufsfelder aus der Mobilitätsbranche, etwa aus der Logistik oder der Stadt- und Verkehrsplanung.

Inklusion im Arbeitsalltag leben

In NRW sind 53.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet, rund die Hälfte von ihnen hat eine abgeschlossene Ausbildung – um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, darf diese Personengruppe also nicht außer Acht gelassen werden. Verschiedene Angebote und Initiativen unterstützen in NRW sowohl Personen mit Behinderung als auch Unternehmen dabei, Inklusion im Arbeitsalltag zu leben. Auch in der Mobilitätsbranche finden sich Einsatzbereiche für behinderte Menschen, zum Beispiel als Fachpraktikerin bzw. Fachpraktiker für Tiefbaufacharbeiter, als Planerin bzw. Planer oder im Büromanagement.

 

Eine andere Möglichkeit, auf den Fachkräftemangel zu reagieren, ist die Umstellung von Prozessen: So sollen künftig ferngesteuerte Binnenschiffe der Häfen und Güterverkehr Köln AG auf den Wasserwegen unterwegs sein. Aus einem Kontrollzentrum können zwei bis drei Frachter gleichzeitig gesteuert werden – von nur einer Person.

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Bündnispartner

Über 300 Unternehmen und Konzerne sind Mitglied im Bauindustrieverband NRW e.V. Ein wichtiges Thema des Verbands ist der Ausbau der Infrastruktur in der Region, sei es bei Bahnlinien, Brücken oder Straßen. Dafür steht der Verband seinen Mitgliedern fachlich und rechtlich unterstützend zur Seite.

Die Deutsche Bahn AG ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Neben Eisenbahnverkehr und Logistik kümmert sich der Konzern auch um den Betrieb des Großteils des deutschen Schienennetzes sowie um die Bereitstellung der Bahnhöfe.

 

Seit 40 Jahren entwickelt das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT IT-Lösungen für verschiedene Lebensbereiche – dazu gehört auch die Mobilitätsbranche. Der Fokus liegt hierbei auf der Elektromobilität und ihrem Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen.

21 Häfen und Terminals, 90 Güterloks, 63 Mio. Tonnen Frachtaufkommen: Als europaweit agierende Logistikgruppe mit fünf spezialisierten Geschäftsbereichen ist die Häfen und Güterverkehr Köln AG einer der führenden Akteure im intermodalen Güterverkehr.

Die 16 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen sind in der IHK NRW zusammengeschlossen. Aufgabe der Landesarbeitsgemeinschaft ist es, die Gesamtheit der IHKs gegenüber Landesregierung, Landtag sowie wichtigen Behörden und Organisationen zu vertreten. Dabei geht es u. a. auch um betriebliches Mobilitätsmanagement, die Finanzierung des ÖPNV/SPNV und den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur.

Die Ingenieurkammer-Bau NRW unterstützt Ingenieurinnen und Ingenieure in Nordrhein-Westfalen in allen beruflichen Belangen, etwa indem sie die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Politik und Öffentlichkeit vertritt. Außerdem überwacht sie die gesetzliche Fort- und Weiterbildungspflicht und sorgt so dafür, dass Bauen in NRW hochwertig, sicher und nachhaltig gestaltet wird.

Nordrhein-Westfalen zum Logistikstandort Nr. 1 in Europa entwickeln: Dieses Ziel verfolgt das Kompetenznetz Logistik.NRW. Dafür werden die Kompetenzen rund um die Logistikwirtschaft in NRW gebündelt und die Branche beim Strukturwandel unterstützt. Trägerverein des Kompetenznetz Logistik.NRW ist der LOG-IT Club e.V.

Straßen und Wege in NRW umwelt- und ressourcenschonend zu bauen und zu erhalten, ist elementar für den Landesbetrieb Straßen.NRW. Er betreut den Großteil der nordrhein-westfälischen Bundes- und Landesstraßen sowie über 7.000 Kilometer Radwege und rund 1.000 Kilometer Kreisstraßen.

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