Stadt, Land, Mobilität? Chancen im demografischen Wandel
10. Juni 2024
In Deutschland ist jede zweite Person über 45 und jede fünfte über 66 Jahre alt – der demografische Wandel lässt die Zahl jüngerer Menschen sinken und die älterer steigen. Besonders zu merken ist dies in der sogenannten Babyboom-Generation, die derzeit die größte Altersgruppe bildet. Auch in NRW sind diese Entwicklungen zu beobachten. Zugleich wurde in den vergangenen Jahren die Land- durch die Stadtflucht abgelöst, das Leben in ländlichen Regionen wird attraktiver und mehr Menschen ziehen aus der Großstadt ins Grüne. Was bedeuten diese Faktoren für die Gestaltung derzeitiger und zukünftiger Mobilität? Welche Strukturen müssten verbessert werden, damit alle sicher, flexibel, komfortabel und zugleich klimaschonend unterwegs sein können?
Mobilität für jede*n und überall
Egal ob jung oder alt, mobil möchte jede*r sein – und das bestenfalls bequem, sicher und schnell. Ausschlaggebende Faktoren für eine bedarfsgerechte Mobilität sind neben dem Alter und der familiären Situation auch die Lebensumstände.
- So benötigen ältere Menschen eine gute Erreichbarkeit und Barrierefreiheit der Stationen, verlässliche Takte sowie Transportmöglichkeiten für Einkäufe, Gehhilfen und Elektromobile.
- Jüngere Fahrgäste wünschen sich einen eng getakteten Fahrplan, Flexibilität, Zuverlässigkeit der Verkehrsmittel und eine damit einhergehende Planbarkeit sowie günstige und unkomplizierte Tarife.
Junge Leute leben in der Stadt und Ältere auf dem Land – oder?
Laut dem Statistischem Bundesamt bevorzugen die 20- bis unter 40-Jährigen in NRW die Großstädte als Wohnort, während die 40- bis unter 60-Jährigen hauptsächlich in den nahen Regionen um die Ballungsgebiete leben. Die nächste Altersgruppe von 60 bis unter 80 Jahren wohnt wiederum größtenteils entweder in ländlichen Gebieten oder im Speckgürtel der Städte. Demnach lebt nach wie vor der größte Anteil junger Leute in der Stadt und ältere Menschen im Umland dieser oder in ländlichen Regionen – allerdings findet eine Trendwende statt: Seit 2021 ziehen erstmals seit 30 Jahren wieder vermehrt auch jüngere Bewohner*innen aus der Stadt in ländlichere Regionen.
So unterschiedlich ist das Mobilitätsangebot in den Regionen
In der Stadt
- großes Angebot an Alternativen für das private Auto
- hohe Fahrzeugdichte
- Mangel an Parkplätzen
- wenig Platz für Fahrradfahrende und Fußgänger*innen
Auf dem Land
- genug Platz für breite Fahrrad- und Fußgängerwege
- zahlreiche Abstellmöglichkeiten für das Auto
- schwach ausgebaute Infrastruktur der öffentlichen Verkehrsmittel
- Menschen sind auf das Auto angewiesen
Mobilität ist für Menschen jeden Alters wichtig, sei es der Weg zum Einkaufen, zum Arzt oder in der Freizeit. Je ländlicher die Region, desto seltener – oder auch gar nicht – trifft man einen regelmäßigen ÖPNV an. Das wirkt sich wiederrum in Ermangelung an attraktiven Verbindungen auf die vermehrte Nutzung des Autos aus. Wie eine Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigt, nutzen in dicht besiedelten Gebieten Deutschlands weniger Menschen motorisierte Verkehrsmittel als in sehr ländlichen Regionen. Der ÖPNV hingegen ist in Ballungsgebieten das beliebteste Fortbewegungsmittel – auf dem Land verhält es sich wiederum umgekehrt.
Insbesondere in sehr ländlichen Regionen bedarf es einer Verbesserung der Angebote des ÖPNV: Nur 60 Prozent der Bewohner*innen sind mit der Erreichbarkeit der Haltestellen sehr zufrieden, noch weniger sind es bei der Qualität und dem Takt. In den städtischen Gebieten zeigt sich bei denselben Kriterien eine höhere Zufriedenheit – einzig die Nutzungsmöglichkeit des Fahrrads wird auf dem Land positiver wahrgenommen.
Wie die Mobilität der Zukunft gestalten?
Angebote, die es für eine Verbesserung der Zufriedenheit jeder Region und jeden Alters benötigt, gibt es bereits:
Der Öffentliche Personennahverkehr ist für jede Strecke eine klimaschonende und bequeme Alternative zum privaten Auto. Besonders in Ballungsgebieten sind ein enger Takt und eine Auswahl von Straßenbahnen über U-Bahnen bis hin zu Bussen sowie S- und Regionalbahnen gegeben. In ländlichen Regionen werden Maßnahmen ergriffen, um eine flächendeckende, zuverlässige Mobilität zu gewährleisten, wie zum Beispiel die Reaktivierung von stillgelegten Schienenkilometern.
Für verschiedene Alters- und Berufsgruppen gibt es passgenau zugeschnittene Ticket-Optionen – als Anreiz, häufiger den Nahverkehr zu nutzen. Arbeitnehmer*innen haben die Möglichkeit, über den Arbeitgeber ein Jobticket für ganz NRW zu erhalten. Für Schüler*innen, Studierende, Auszubildende und Senior*innen existieren vergünstigte Tickets, die entweder für einen Verbund oder über dessen Grenzen hinaus gelten. Neben der reinen Fahrt zur Arbeit, in die Universität oder zur Schule, bieten die Tickets erweiterte Benefits –beispielsweise die Mitnahme von anderen Personen oder dem Fahrrad. Außerdem gibt es für Berufspendler*innen das Deutschlandticket sowie den elektronischen Tarif “eezy.nrw” für alle Gelegenheitsfahrer*innen.
Zu den On-Demand-Angeboten zählen auch das Anruf-Sammeltaxi und der TaxiBus, die sich vor allem im Speckgürtel sowie in ländlichen Regionen und für nicht regelmäßige Fahrten anbieten. Die Fahrten werden nach Bedarf mit Kleinbussen oder Pkws durchgeführt. Gebucht wird der Dienst meist digital per App, was allerdings für ältere Menschen eine Herausforderung darstellen könnte. Deshalb bieten On-Demand-Unternehmen wie z. B. „efi“ die Möglichkeit, per Telefon und Guthabenkonto den Service zu buchen.
Hier fahren Bürger*innen für andere Bürger*innen: Ehrenamtliche setzen sich hinter das Steuer und sichern dort die Mobilität, wo kein Linienverkehr tragbar ist oder um Lücken im ÖPNV-Netz zu schließen. Finanziert werden die Bürgerbus-Vereine durch die jeweiligen Kommunen, das Verkehrsministerium des Landes NRW und betreuende Verkehrsunternehmen. Der Bürgerbus ist eine weitere gute Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr in ländlichen Regionen zu erweitern.
Bewohner*innen auf dem Land sind oft auf das Auto angewiesen, um ihren Alltag zu gestalten. Aber auch in der Stadt gibt es viele Menschen, die mit dem Auto pendeln oder einkaufen müssen – hier bieten sich private Ride-Sharing-Konzepte an. Damit zwischen der fahrenden Person und den Mitfahrenden alles reibungslos funktioniert, können die Sharing-Angebote über eine App angeboten und gebucht werden. Diese regelt die Zahlung an den oder die Fahrer*in und Rechtliches wie z. B. bei Unfallschäden. Ein Beispiel für eine Mitfahr-App aus NRW ist die goFLUX-App.
Eine weitere Möglichkeit bietet das Carsharing: Per App wird ein in der Nähe stehendes und verfügbares Auto gebucht, die Nutzung auf den Kilometer genau abgerechnet und wieder abgestellt, sobald es nicht mehr benötigt wird. So können Besorgungen oder spontane Fahrten, für die ein Auto notwendig wird, problemlos und flexibel bewerkstelligt werden. Der Umwelt und dem hohen Verkehrsaufkommen auf den Straßen NRWs kommen beide Konzepte zugute.
Verschiedene Verkehrsmittel gebündelt an einem Ort, um das beste Angebot für die weitere Strecke auswählen zu können: Mobilstationen sorgen für Flexibilität und eine erhebliche Erweiterung der Einzugsgebiete von Haltestellen. So kann zum Beispiel das E-Auto aufladen, während es mit einem Leihrad für Besorgungen in die Innenstadt geht, oder direkt der nächste Bahnhof mit dem E-Scooter angesteuert wird. Dies führt auch zu einer Verbesserung der ÖPNV-Versorgung. Meistens sind Mobilstationen in NRW an Verkehrsknotenpunkten zu finden, etwa an Bahnhöfen – ein ähnliches Modell für Wohngegenden sind Mobilitäts-Hubs. Umgesetzt wurde das Konzept bereits in Köln: In dem Wohnquartier in Humboldt/ Gremberg wurde in Zusammenarbeit der GAG Immobilien, der TankE und der KVB ein Mobilitäts-Hub für die Bewohner*innen errichtet und damit mehr Flexibilität für eine nachhaltige Mobilität ermöglicht.
Das Fahrrad ist eine umweltschonende und kostengünstige Mobilitätsform, die für ein komfortables und sicheres Fahren eine gut ausgebaute Radweg-Infrastruktur benötigt. Das Umwelt- und Verkehrsministerium NRW fördert 230 kommunale Maßnahmen mit rund 73,7 Millionen Euro im ersten Teil des Nahmobilitätsprogramms 2024. Um auch etwas für den Radverkehr auf dem Land zu tun, stellt das Land NRW im Rahmen des Radwegeprogramms 2024 38 Millionen Euro für den Ausbau und die Erhaltung der Radwege-Infrastruktur an Landstraßen zur Verfügung. Als Alternative für den Pkw können Lastenfahrräder zum Einsatz kommen: Je nach Modell beträgt die Nutzlast 60 bis 200 kg. Damit lassen sich sowohl der Großeinkauf als auch die Kinder klimafreundlich von A nach B transportieren.