Innovative Lösungen für nachhaltige Straßen und Schienen
05. April 2024
13.059 Kilometer Landesstraßen, 4.417 Kilometer Bundes- und 1.000 Kilometer Kreisstraßen – NRW verfügt über eines der dichtesten Straßennetze in Deutschland. Die Schiene deckt mit etwa 6.000 Kilometern ebenfalls einen großen Bereich ab und soll zukünftig weiter ausgebaut werden. Jedoch erzeugen vor allem die Asphaltproduktion, der Asphalteinbau und die Produktion von Stahl und Beton hohe CO2-Emissionen. Somit verlangt die Infrastruktur nach klimafreundlichen und langlebigen Alternativen, um eine nachhaltige Mobilität zu ermöglichen.
Es braucht neue Ideen mit Weitsicht
Um Straßen und Schienen nachhaltiger zu gestalten, setzen neue Technologien und Materialien an drei Stellen an: Planung, Bau und Instandhaltung. Als Beispiele sind hier zwei der Finalist*innen des Mobilitätspreis.NRW 2023 zu nennen. Die Echterhoff Expressbrücke kann durch ein modulares Bausystem die Bauzeit verkürzen und so ggf. den durch Verkehrsstau bedingten CO2-Ausstoß verringern. Die Power Road by Eurovia hingegen kann der Straße selbst einen Mehrwert verleihen: Solarwärme, die dunkle Fahrbahnflächen stark aufheizt, wird über ein Wärmepumpensystem unter dem Asphalt gespeichert und weitergenutzt. Diese und weitere zukunftsweisende Ideen sind elementar für eine klimafreundliche Mobilität. Beide Ideen werden probeweise oder im Zuge von Zulassungen im Einzelfalle eingesetzt, flächendeckende Erfahrungen liegen noch nicht vor.
Klimasünder Asphalt neu gedacht
Nicht nur das Befahren, sondern auch das Bauen von Asphaltstraßen verursacht eine große Menge CO2-Emissionen, bei einer Straßenlänge von 100 Metern und einer Asphaltstärke von 16 Zentmetern allein 11.500 Kilogramm. Deshalb bietet Asphalt im besonderen Maße Potenzial zur Verbesserung durch neue Konzepte – und diese gibt es bereits und werden erprobt:
Die Konzentration von Bitumen, die beim Einbau von Asphalt in Form von Dämpfen und Aerosolen entstehen, hängt von der Temperatur des Asphaltes ab. Auch wenn diese für die Arbeitenden gesundheitlich unbedenklich sind, hat temperaturabgesenkter Asphalt (kurz: TA) viele Vorteile gegenüber der klassischen Variante: Bei der Produktion wird weniger Energie benötigt, was sich positiv auf die CO2-Emissionen auswirkt und der Asphalt ist durch die hinzugefügten organischen Zusätze gegenüber Hitze widerstandsfähiger. Inwieweit die organischen Zusätze die Wiederverwendung beeinflussen und wie sich der Lebenszyklus der Deckschichten verhalten und wie die abschließende CO2-Bilanz aussehen wird. Danach lässt sich festhalten, dass TA auf verschiedenen Ebenen zum Umweltschutz beiträgt.
Bei Clean Air Asphalt (ClAir) handelt es sich um eine von dem Unternehmen Strabag entwickelte Asphaltdeckschicht, die die Konzentration von Stickstoffdioxid in der Luft senken kann. Wie das gelingt? Dem Abstreugranulat wird eine geringe Menge Titandioxid beigemengt. Treffen UV-Strahlen auf den Zusatzstoff, reagiert Titandioxid mit Photokatalyse und wandelt die in der Luft gebundenen Stickoxide in unschädliche Nitrate um. Unter Idealbedingungen, also bei wenig Wind und viel Sonne, kann die Konzentration von Stickstoffdioxid um bis zu 26 Prozent verringert werden. Zusätzlich verfügt ClAIR über eine dämpfende Textur, was den Straßenlärm durch Reifenabrollgeräusche reduziert. Der Clean Air Asphalt wurde unter anderem bereits in Oberhausen, Köln und auf dem Jahnplatz in Bielefeld eingesetzt. Der endgültige Nachweis und die entsprechenden Zulassungen stehen noch aus.
Auch Asphalt kann recycelt werden. Auf diese Weise wird weniger Energie benötigt und der Ausstoß von CO2-Emissonen reduziert. Außerdem kann alter Asphalt durch das Wiederaufbereiten in einen ressourcenschonenden Kreislauf eingepflegt werden. Um den Rohstoff erneut einsetzen zu können, wird das Altmaterial aufgebrochen, abtransportiert, in einer Asphaltmischanlage aufbereitet und letztendlich zur Herstellung einer neuen Straße verwendet.
Neue Brücken – leichter, emissionsärmer, schneller
Brücken sind aufgrund der Verkehrsbelastung und der Wettereinflüsse starken Belastungen ausgesetzt. Sollten sie vollständig ersetzt werden müssen, zieht dies häufig eine Sperrung und eine langdauernde Baustelle für die Straße und die Schiene mit sich. Abhilfe können beispielsweise Schnellbaubrücken, wie die des Unternehmens Heitkamp, schaffen: Einzelne Teile der Brücke werden neben der Fahrbahn erstellt, so dass der Verkehr so lange wie möglich weiterfahren kann. Damit ist dieses Verfahren deutlich schneller und auch umweltfreundlicher als bei herkömmlichen Brückenbauten. Eine Sperrung ist allein für den Zusammenbau nötig, sodass es nur wenige Verkehrseinschränkungen gibt. Für mehr Klimafreundlichkeit könnte zukünftig auch auf nachhaltige Baustoffe gesetzt werden:
- Ein Beispiel ist ein Brückenbelag aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Dieser ist nicht nur 75 Prozent leichter als Stahl, sondern benötigt auch 75 Prozent weniger Produktionsenergie und 50 Prozent weniger Energie für den Transport und die Montage als klassischer Stahl. Hinzu kommen eine längere Lebensdauer und eine Recycelbarkeit von 100 Prozent. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat den Einsatz dieses GFK-Belags in NRW bei Fußgänger- und Radwegebrücken sowie Laufstegen zugelassen.
- Ebenfalls für Fußgängerbrücken wird die Nutzung von Carbonbeton diskutiert: Dieser ist bis zu sechsmal tragfähiger und zugleich leichter als Stahlbeton, weshalb für den Bau weniger Beton verwendet werden muss. Dies spart die Energie ein, die beim Herstellen von klassischem Stahlbeton in hohem Maße benötigt wird. Beim Recycling wird auf kamerabasierte Sortierverfahren gesetzt, um Carbon und Beton voneinander zu trennen. Zwei Brücken mit Elementen aus Carbonbeton wurden testweise bereits in Wesseling bei Köln errichtet, generelle Zulassungen und Normen fehlen jedoch noch.
Von langlebigen Schienen und grünen Gleisen
Wer klimafreundlich mobil sein möchte, setzt auf den ÖPNV. Doch nicht nur bei der Nutzung, auch bei der Produktion der Schienen sowie der Gestaltung der Gleise und Bahnhöfe wird auf die Entwicklung nachhaltiger Ideen Wert gelegt. Saarstahl Rail, eine Tochtergesellschaft des Saarstahl Konzerns, hat mit ihren „grünen Schienen“ von sich Reden gemacht. Bei den „grünen Schienen“ handelt es sich um recycelte Altschienen, die zunächst wieder eingeschmolzen und im Anschluss zu hochwertigem Stahl gefertigt werden. Der gesamte Produktionsprozess erzeugt, im Vergleich zur Fertigung aus den Rohmaterialien Eisenerz und Kohle hergestellten Schienen, bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen. Für eine längere Haltbarkeit der Schienen sorgt eine Künstliche Intelligenz. Mit Daten aus den Inspektionsfahrten gefüttert, wertet das Programm AIFRI diese aus und berechnet präventiv anstehende Reparaturen. So können Schäden frühzeitig erkannt und mit kleinem Aufwand behoben werden.
Mit Grün gegen das städtische Grau
Rasengleise oder Grüngleise sehen nicht nur schön aus, sie sorgen auch für Lärm- und Hitzeschutz, bessere Luft und mehr Lebensraum für Insekten. Gepflanzt wird entweder Rasen, der nur einmal im Jahr gemäht wird, oder widerstandsfähiges Sedum, wie beispielsweise Dickblattgewächse. Beides trägt nicht nur dazu bei, Wasser zu speichern und Lebensraum zu bieten, sondern verbessert durch die Begrünung zusätzlich die Lebensqualität in der Stadt. Das erkannten unter anderem auch die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und begrünten bereits den hoch frequentierten Chlodwigplatz.
„Grün“ ist auch bei dem Bahnhofskonzept „Grüner Bahnhof“ der Deutschen Bahn Programm: Durch Photovoltaik und Solarthermie, Geothermie, Verwendung regionaler und nachwachsender Rohstoffe, Dachbegrünung und Regenwassermanagement sowie einen CO2-neutralen Betrieb sollen Bahnhöfe energieeffizienter und umweltschonender werden. Erfolgreich umgesetzt wurde das Projekt bereits nahe Köln in Horrem und im bayrischen Zorneding.
In eine umweltschonende Zukunft dank Elektrizität
Keine langen Pausen an der Ladesäule und unbegrenzte Reichweite – auf einer elektrifizierten Straße werden klimafreundliche E-Autos während der Fahrt aufgeladen. Getestet wird dies ab 2025 auf einem Streckenabschnitt in Nordbayern im Rahmen des Projektes E|MPOWER, das unter der Leitung der FAU Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Autobahn GmbH, VIA IMC, Electreon, Risomat und der TH Nürnberg durchgeführt wird. Das Aufladen erfolgt kabellos über Spulen im Straßenbelag, die ein Magnetfeld erzeugen. Dieses erzeugt wiederum mit der im Auto verbauten Gegenspule eine Spannung und lädt somit den Akku induktiv auf. Eine weitere Möglichkeit, bereits vorhandene Infrastrukturen zu nutzen, stellen mit Photovoltaik überdachte Parkplätze dar. Neben der Stromgewinnung, die z. B. für E-Ladesäulen genutzt werden kann, spendet die Überdachung im Sommer Schatten und schützt die parkenden Fahrzeuge im Winter vor Schnee und Regen.
KI sorgt für beste Voraussetzungen
Dank Künstlicher Intelligenz (KI) kann neu aufgebrachter Beton vor frühzeitigem Verschleiß bewahrt werden. Luna Lu, Professorin an der Purdue University in den USA, fand heraus, dass neue Straßen oft bereits vor der optimalen Festigkeit des Betons wieder freigegeben werden – was dazu führt, dass der Straßenbelag schneller Schäden aufweist und repariert werden muss. Die Lösung: Daten von Sensoren, die sich im Beton befinden, werden von einer Künstlichen Intelligenz überwacht. Ist die gewünschte Härte erreicht, wird eine Benachrichtigung an das Smartphone der verantwortlichen Person geschickt. So wird nicht nur die Straße länger erhalten, sondern auch die Bauzeit optimiert und Stau vermindert. Außerdem senden die Sensoren nach Fertigstellung Daten über den Zustand des Betons und teilen mit, wann Reparaturen notwendig sein werden. Ein weiterer möglicher Beitrag von KI im nachhaltigen Straßenbau: Sie berechnet anhand der vor Ort gegebenen Voraussetzungen des Bauabschnitts die perfekte Zusammensetzung der Bausubstanz aus Beton, Sand und Zement. Einflussfaktoren sind u. a. das Klima und das aktuelle Wetter. Das Ergebnis, so von Luna Lu vermutet, erspart 20 bis 25 Prozent Zement und macht den Belag sowohl haltbarer als auch kostengünstiger.