Seilbahn über einer Stadt

Urbane Seilbahnen als innovative Mobilitätslösung?

19. Oktober 2023

Um Straßen und Schienenwege zu entlasten, fallen den Verkehrsplanerinnen und -planern auch kreative Ansätze in die Hände. Dass die Idee, Staus oder Streckenstörungen zu meiden, indem man über sie hinüberfliegt, jedoch nicht so abwegig ist, wie sie auf den ersten Blick scheint, zeigen aktuelle Diskussionen über in den Nahverkehr integrierbare Seilbahnen.

Über verstopfte Straßen hinweg fliegen und trotzdem ans Ziel kommen: Diesen Luxus kennt man in NRW vor allem in Wuppertal. Die berühmte Schwebebahn ist ein praktisches Verkehrsmittel für die Menschen aus dem Bergischen und gleichzeitig eine berühmte Touristenattraktion. Hier zeigt sich, dass solche Maßnahmen nicht nur als Freizeitfortbewegungsmittel dienen, sondern sich als alltägliche Nahverkehrsmittel etablieren können.

Einige internationale Beispiele:

In der türkischen Hauptstadt wurde vor knapp zehn Jahren die längste urbane Horizontal-Seilbahn Eurasiens, die „Yenimahalle“, fertiggestellt. Mit 3.228 Metern Länge garantiert sie dem Stadtteil Sentepe die Anbindung an das städtische U-Bahn-Netz. Pro Stunde bringt sie 2.400 Personen ans Ziel und ist trotz einer Geschwindigkeit von nur 20 km/h für die Bewohner*innen die schnellste Möglichkeit ins Zentrum Ankaras.

Das größte Seilbahnnetz der Welt findet sich in La Paz. Die berühmte „Mi Teleférico“ („meine Seilbahn“) umfasst inzwischen zehn Linien auf einer Gesamtlänge von mehr als 30 Kilometern. Zu Spitzenzeiten nutzen rund 300.000 Fahrgäste die Bahn, die als gewöhnliches Verkehrsmittel in das ÖPNV-Netz integriert ist.

Die Seilbahn durch Mexiko-Stadt gilt seit 2021 als längste Seilbahn der Welt, denn ihre Stammstrecke umfasst 10 Kilometer. Unter Volllast kann sie bis zu 144.000 Menschen täglich befördern.

Europa holt auf

In den europäischen Großstädten analysiert man die Seilbahnsysteme in Lateinamerika oder Asien ganz genau – und nutzt das Wissen über diese Projekte für sich: In Amsterdam soll in den kommenden Jahren eine Seilbahn den Westen und Norden der Stadt verbinden. Zu Anfang soll sie eine Strecke über 1,5 Kilometer bedienen. Eine ähnliche Planung gibt es in der französischen Hauptstadt: Durch die Luft sollen ab 2025 die Vororte Crétil und Villeneuve-Saint-Georges an die Metro angebunden werden. Seit Juni 2012 gibt es bereits in London eine Seilbahn, durch welche die Stadtteile Greenwich und Docklands verbunden sind. Die Taktung der London Cable Car kann je nach Bedarf oder Ereignis angepasst werden – wie für die Olympischen Spiele im Eröffnungsjahr.

Deutsche Politik zeigt sich begeistert und schafft Voraussetzungen

Die Vorzeichen auf Bundesebene sind gut: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, in Person von Verkehrsminister Volker Wissing, sind große Befürworter der urbanen Seilbahnen.

 

„Seilbahnen sind ein zuverlässiges, bewährtes und nachhaltiges Verkehrsmittel. Urbane Seilbahnen können Hindernisse wie Hügel, Flüsse oder Trassen überwinden, Lücken im ÖPNV-Netz schließen, bestehende Linien verlängern und neue Wohn- oder Gewerbegebiete anbinden. Sie sind klimafreundlich und platzsparend.“

Volker Wissing Bundesverkehrsminister

Im Oktober 2022 hat der BMDV deshalb einen Leitfaden zu urbanen Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr veröffentlicht, in dem Hilfestellungen und Planungsvoraussetzungen für interessierte Kommunen zusammengestellt wurden. Auch Fördermöglichkeiten im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes sind bereits festgelegt.

 

Fahren wir in Zukunft durch die Luft ins Büro?

Die Einführung urbaner Seilbahnen in die ÖPNV-Struktur NRWs liest sich auf den ersten Blick durchaus positiv. Neben der Entlastung von Schiene und Straße bietet die Beförderung durch die Luft einige Vorteile:

  • Eine Kollision mit anderen Verkehrsmitteln ist definitiv ausgeschlossen.
  • Seilbahnen zählen zu den sichersten Verkehrsmitteln.
  • Die Barrierefreiheit beim Einstieg ist garantiert.
  • Seilbahnen lassen sich verhältnismäßig preiswert und schnell auf- oder abbauen.
  • Bodenflächen werden lediglich durch die Stützen und Stationen beansprucht.
  • Der Energiebedarf ist sehr gering, Seilbahnen gelten als sehr nachhaltig.
  • Die Alltagstauglichkeit für den Weg zur Arbeit ist durch zeitliche Regelmäßigkeit gegeben.
  • Für Metropolen bieten Seilbahnen zusätzlich touristische Attraktivität.

Mit Blick auf NRW ist die Stadt Bonn auf dem Vormarsch: Die Vorüberlegungen zum Bau einer Seilbahn starteten bereits vor mehr als zehn Jahren. Die Planungen schreiten derzeit im Detail voran und auch die Streckenplanung steht bereits: Den Bonnerinnen und Bonnern wird eine Verbindung über den Rhein ermöglicht – von der Uniklinik West über den UN-Campus bis in die Wohngegenden in Ramersdorf. Als größtes Projekt mit Vorbildcharakter könnte das Bonner Projekt andere NRW-Städte motivieren und von der Entwicklung von urbanen Seilbahnen für den ÖPNV überzeugen.

Cable Car World

NRW geht im Thema urbane Seilbahnen weiter voran: Am 4. und 5. Juni 2024 findet die Fachmesse für urbane Seilbahnen in der Messe Essen statt, auf der Volker Wissing als „Schirmherr“ fungiert. Die Cable Car World ist die erste Fachmesse, die sich auf urbane Seilbahnen und ihre Funktion als Teil von Nahverkehrsnetzen und urbaner Mobilität, fokussiert.

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